Bericht über eine Studie, erfasst zwischen April und Mai 1906 über einige Erzgebirgsorte

Die Verbreitung der Spitzenklöppelei in Österreich
Leben und Verdienst im Erzgebirge
Auszug der veröffentlichten Sozialstudie 1907 ----Wien, im Juni 1907. 


Eine dritte Gruppe

bilden die Ortschaften der Komotau — Weiperter Gegend (Neudorf, Reischdorf , Kupferberg, Sebastiansberg, Schmiedeberg etc.).
 
In diesen Gegenden gibt es ebenfalls wenig andere Beschäftigungen, die kleinen landwirtschaftlichen Besitztümer vieler Arbeiter liefern einen sehr ungenügenden Zuschuß zum Lebensunterhalt, wenig einträgliche Hausindustrien, wie: 
Spielwaren (Sonnenberg), 
Posamenten, Korbflechterei (Sebastiansberg), 
dann Torfstecherei, Bahnarbeit bilden die Beschäftigung der männlichen Familienmitglieder. 

Große Händler fehlen fast ganz, doch sind einige der Ortschaften, vor allen Reischdorf, Sitz eines aus- 
gedehnten Hausierhandels. 

Die Händler schätzen den Arbeitsverdienst in 
Neudorf bei gutem Muster und 168stündiger Arbeit auf 1-20 K und auf 1*20 bis 1-40 K. 
In Sebastiansberg auf 1 K bis 1*40 K. 

In Reischdorf wird im Sommer wenig geklöppelt, ein großer Teil der Männer und Frauen des Dorfes sind Hausierer, 
von denen diejenigen, die sich mit dem Spitzenhandel abgeben, gewöhnlich das ganze Jahr fort sind. Andere betreiben Gemüsehandel. Auch Schürzen werden genäht und verhausiert. 



Die Lohn- und Lebensverhältnisse der Arbeiter. 

Die Qualität der Wohnungen ist selbstverständlich nach den Einkommenverhältnissen verschieden, aber sie haben in der Regel Luft und Licht und die Räume sind meistens heizbar. Ungünstig ist in manchen Gegenden die Einrichtung offener Kochherde, die dann zwar nicht im Wohn-, sondern im Vorraum untergebracht sind, aber auch die Wohnräume durchräuchern. 

Dort, wo die Mehrzahl der Arbeiter in eigenen Häusern wohnt, läßt sich die Höhe der Wohnungspreise nicht allgemein 
feststellen. 
Man ist auf Mietzinse gestoßen, die jährlich betrugen : 
in Bernau für ein Zimmer Ä'30— 40, 
Reischdorf für einen Raum K36 — 44, für zwei Räume JE 60 — 100, 
Hengstererben für Küche und Kammer K 32, 
Gottesgab für zwei Räume K 48 — 96, 
Platten und Aberthan nach Angabe des Herrn Oberlehrers Klemm für einen Raum K 30 — 40, 
Neudorf für zwei kleine Räume K 50—56, 
Sebastiansberg, wo mir die Mietzinse am höchsten schienen, für zwei Räume K 72 — 128, 
Muttersdorf für zwei Räume JT 40 — 80, 
Schwanenbrückel für einen Raum K 26, 
Wamberg für einen Raum K 36, für zwei Räume K 70. 

Doch sind dies bloß heraus- gegriffene Beispiele, die aber jedenfalls zeigen, daß die Arbeiter, 
was ja auch selbstverständlich ist, in den Spitzenklöppelgebieten verhältnismäßig billig wohnen, nicht nur wenn man die absolute Höhe der Mietzinse für städtische Arbeiterwohnungen damit vergleicht, sondern auch dann, wenn man sie in Verhältnis setzt zum Gesamteinkommen. Die Mietzinse werden selten mehr als 10^0 davon betragen, oft aber viel weniger, ein Verhältnis, das beim städtischen Lohneinkommen immer wesentlich überschritten wird. 

Die Ausgaben für Beheizung sind sehr verschieden. 
In manchen Gegenden ist sie beinahe unentgeltlich, in anderen Orten ist im Wald unentgeltliches Klaubholz zu sammeln, dort, wo das ganze Heizmaterial gekauft werden muß, betragen die Ausgaben hiefür K 30 — 100 im Jahr. Die jährlichen Ausgaben für Beleuchtung schwanken in der Regel zwischen K 10 — 25.

 
Die Lohn- und Lebensverhältnisse der Arbeiter. 

Kinderarbeit. 

Die an sich nicht günstigen Einkommensverhältnisse der Spitzenklöpplerfamilien müssen um so ungünstiger erscheinen, als sie mit ungewöhnlich langer Arbeitszeit
der Erwachsenen — 14 — 17 Stunden im Winter, 
12 — 14 Stunden im Sommer sind nichts Ungewöhnliches — und in manchen Gegenden mit über- 
mäßiger Kinderarbeit erkauft sind. 

Die Klöppelei beruht gewissermaßen auf der Kinderarbeit. 
Personen, die sie von frühester Jugend an geübt haben, erlangen fürs Leben eine viel größere Geschicklichkeit als jene, die erst später damit beginnen. 
Gegen das Arbeiten der Kinder in beschränktem Maß — IVa — 2 Stunden per Tag — ist daher auch nichts einzuwenden. 

In manchen Gegenden, besonders in den ärmeren, 
klöppeln Schulkinder aber auch an Schultagen 6—8 Stunden, an schulfreien Tagen sogar 10, 12, 14 Stunden. 
Einen geradezu erschreckenden Umfang hat die Kinderarbeit in Eisnern. 
Hier klöppeln fast alle Kinder und solche von 11 — 13 Jahren 10 — 12 Stunden täglich. 
Ein zweijähriges Mädchen, das mir als die beste Klöpplerin des Dorfes genannt wurde, arbeitet 
12 Stunden und verdient K 0-60 im Tag. 
Auch aus Hengster- erben ist mir von dem Oberlehrer des Ortes berichtet worden, 
daß hier die Kinder fast während ihrer ganzen freien Zeit klöppeln und oft die ganze Nacht und bis zum Morgengrauen am Klöppelkissen sitzen. 

Ich habe in den Familien, die ich selbst besucht habe, 
folgende Fälle von Kinderarbeit gefunden : 

Die Stellung der Händler zur staatliclien Schulpolitik. 

Organisation, während ein Händler aus Reischdorf der Befürchtung Ausdruck gab, daß die Genossenschaften den Hausierhandel schädigen würden, dessen Zentrum Reischdorf sei, weil die Hausierer kaum imstande seien, von der Genossenschaft zu beziehen. 

Was den Übergang von der bisherigen Organisation zu Genossenschaften betrifft, so wurde seitens einer Engrosfirma 
die Meinung ausgesprochen, daß die Streichung der Gruppe der Hospitantinnen durch den Kurs für die Arbeiter einen genügenden Anlaß bilden würde, sich zu Genossenschaften zu organisieren. 
Die einzelnen Schulen könnten mit diesen dann insofern in Fühlung bleiben, als sie die technische Ausbildung der Mitglieder überwachen und die Prüfung der fertigen Produkte übernehmen könnten, während die Genossenschaften sowohl den Absatz der Erzeugnisse der Mitglieder als auch der Schulproduktion zu übernehmen hätten.